Der Andi ist wieder da

Der Ecki, der Andi und die Kathi© Kluge / SWR
Sender:SWR / ARD
Produktionsfirma:Maran Film, Uwe Franke, Sabine Tettenborn
Regie:Friederike Jehn
Redakteur:Brigitte Dithard, Manfred Hattendorf
Darsteller:Nicholas Reinke, Dagmar Leesch, Michael Kranz, Thilo Prückner, Tatja Seibt
Erstausstrahlung:18.03.2015

Beschreibung

„Der Andi ist wieder da“ ist eine Art moderner Heimatfilm; Andreas Schäfer, der Andi, ist wie so viele andere aus der Provinz nach Berlin gegangen, um Architekt zu werden und andere Dinge zu bauen als Doppelhaushälften mit Carport. 25 Jahre später gewinnt er zwar einen wichtigen Wettbewerb - gebaut wird allerdings aus Kostengründen der Zweitplatzierte. Andi steht vor dem Nichts, und weil er nicht mehr weiß, wie es weitergehen soll, geht er nach Hause ins badische Ellingen - wo Mama  immer noch sehr gut, zumindest reichlich, kocht und ihm die Wäsche wäscht, wo er allerdings nicht wirklich von allen mit offenen Armen empfangen wird. Dort treffen zwei Welten aufeinander, dort wird fortgesetzt, was damals nicht beendet wurde, dort stellt sich allmählich auch heraus, dass die Behinderung seines Bruders Ecki nicht ganz zufällig in engem zeitlichen Zusammenhang zu Andis Weggehen stand.

„Über alldem“ - schreibt Jens Szameit ('teleschau - der mediendienst') - „schwebt die universale Frage nach dem diffusen Gefühl von Heimat, einer emotionalen Zugehörigkeit, die einen jeden betrifft und doch so selten im Fernsehspiel ernsthaft und mit der gebotenen Ambivalenz verhandelt wird. In Deutschland werden die abgründigsten Krimis gedreht, die schaurigsten Mittelalterschinken, die aufrüttelndsten Brennpunktdramen, die dunkelsten Weltkriegsstücke und manchmal sogar ein Katastrophenfilm. Aber dass mal einer unerschrocken in die unendliche Schönheit und Traurigkeit einer völlig banalen Allerweltsexistenz blickt, darauf wartet man regelmäßig gefühlte Jubeljahre. Auch deshalb ist einem nach diesem großartigen Film nach heulen zumute.“
„Ein“, meint TV-Spielfilm, „leiser Film mit differenzierten Charakteren. Die Geschichte von Wolfgang Stauch („Unter Verdacht“) dreht sich um den Gegensatz von Stadt und Land, geplatzte Träume und Schuldgefühle. Man kann sich darin wiedererkennen, und man erlebt ein kleines Stück deutscher Wirklichkeit. Vielsagender, kleiner Film mit glaubhaften Figuren.“


Rezensionen

Steinchen auf dem Weg nach Hause
Ein kleiner Film, ein Heimatfilm: Die feine ARD-Produktion "Der Andi ist wieder da" ist beides. Sie erzählt von erwachsenen Kindern und den Erwartungen ihrer Eltern.

Ein kleiner Film – was ist das eigentlich? Fernsehredaktionen beschreiben damit gern eine Produktion mit schmalem Budget. Und ohne große Schauspieler-Namen. Es ist eine Klassifizierung, die zwischen Beleidigung und Lob schwankt. Wann ist etwas "groß" und wann "klein"?

Die Erfahrung zeigt, dass das Merkmal "klein" häufig Besseres verspricht als die Bigger-than-Big-Free-TV-Premieren, Fernseh-Epen und Sagas. Nämlich einfach ein gutes Drehbuch und ein paar Momente, in denen der Zuschauer vergisst, dass hier etwas inszeniert wurde. 

 

Auch Der Andi ist wieder da ist so ein "kleiner" Film, über den man im Programmheft schnell hinwegblättert, weil seine Handlung schon so oft erzählt wurde. Der erfolgreiche Bruder kehrt ins Heimatdorf zurück und muss sich der problematischen Familienvergangenheit stellen. Im konkreten Fall: dem Alkoholikervater, dem neidischen Bruder, der Schwägerin, die immer noch in ihn verliebt ist.

Und doch erwischt einen diese ARD-Produktion schon in der ersten Minute. Da sitzt Andi, schwarz gekleideter Hauptstadt-Architekt, in einem Café, Die Sterne singen Was hat dich bloß so ruiniert? und wir sehen, dass er seinen Kaffee nicht bezahlen kann. Andi ist keine prekäre Berliner Existenz. Er ist am Ende.

Er haut ab, nach Hause, irgendwo ins Badische. Weil auch das Benzin im schwarzen Saab nicht mehr reicht, muss er seine silbernen Rimowa-Rollkoffer die letzten Kilometer durchs Kornfeld nach Hause schleifen.

Der Empfang auf dem 70. Geburtstag des Vaters ist verhalten. Nur Ecki, der jüngste, geistig zurückgebliebene Bruder, freut sich: "Da Andi isch wieda da." Und ja, nun wird tatsächlich das klassische Repertoire der Verlorener-Sohn-Geschichte durchgespielt: Entfremdung, Annäherung, Konfliktbewältigung, Katharsis. 

Verlorener Sohn und Sehnsuchtsmann

Doch der Drehbuchautor Wolfgang Stauch (Tatort, Polizeiruf, Unter Verdacht) und die noch relativ unbekannte Regisseurin Friederike Jehn zeigen, dass man auch aus einem simplen Plot einen guten Film machen kann, wenn man auf die entscheidenden Details achtet und die richtigen Schauspieler dafür engagiert. Hier trägt vor allem der Hauptdarsteller Nicholas Reinke durch die 90 Minuten. Er ist der sensible Kreative, der verlorene Berlin-Bewohner, der verstoßene Sohn und der Sehnsuchtsmann zugleich. Nur wer er eigentlich selbst sein möchte, hat Andi längst vergessen. Oder, wie er dem Vater entgegen wirft: "Ich habe nicht meinen Weg gemacht, ich bin nur weggegangen."

Sein Vater, das ist Thilo Prückner, der alte Theater- und Fernsehhaudegen. Er spielt den verbitterten, verbissenen Familienunternehmer ohne die aufgesetzte Verschlagenheit, die er in vergangenen holzschnittartigen Bösewichtrollen oft einnehmen musste. Dafür, dass Vater und Sohn den gesamten Film damit verbringen, sich nicht miteinander auszusprechen, tun sie das sehr spielgewaltig.

Der Andi ist wieder da ist so gesehen ein moderner Heimatfilm. Es gibt hier nicht die böse Stadt und das gute Landleben. Die Doppelhaushälfte mit Carport ist ebenso trostlos wie die genormte Hipster-Mitte-Wohnung mit dänischen Designklassikern. Und hier wie dort geht es in erster Linie ums Geld. Und darum, wie man vor den anderen dasteht.

Und so lässt sich "der Andi" gern feiern als weltgewandter Städter, der es geschafft hat. Und schreckt gleichzeitig nicht davor zurück, das Schwarzgeld aus der Familien-Porzellankiste zu klauen und auf sein leeres Konto einzuzahlen. Oder die Einsamkeit seiner Schwägerin auszunutzen, die allein auf der aufgeschütteten Terrasse hinter dem Neubau auf ihren dauerarbeitenden Ehemann wartet.

Kein Lebensentwurf steht hinter dem anderen zurück. Wo man glücklich wird, hängt nicht davon ab, welchen Palast man sich gebaut hat. Die Szene, in der Andi mit seinem behinderten Bruder eine Designerhütte für den Familienhund entwirft, ist einer der wenigen Momente echten Glücks und ehrlicher Zuneigung. 

Nie wird es plakativ oder rührselig

Solche stimmigen Details bereichern den gesamten Film. Und sie drängen sich dem Zuschauer nicht auf. Eher nebenbei registriert man die verkümmerten Tischpflanzen im Elternhaus und den Toast mit Nutella-Smiley, den die Mutter Andi zum Willkommensfrühstück präsentiert.

Am Ende geht es natürlich doch um die großen Fragen, um Verletzungen aus der Kindheit und unbewältigte Traumata. Aber auch hier wird es niemals zu plakativ oder rührselig. Mehr als ums Weggehen oder Zurückbleiben handelt der Der Andi ist wieder da von den (unerfüllten) Erwartungen, die Eltern und Kinder aneinander haben. Und wie lang die im Leben eines jeden nachwirken können.

"Was willst Du eigentlich hier?" fragt Andis jüngerer Bruder ihn. "Liebe", antwortet der. Er versucht es ironisch zu sagen. Es gelingt ihm nicht. Ein schöner, kleiner Film.

– Carolin Ströbele, Zeit.de


SWR-Film „Der Andi ist wieder da“
Zuhause ist dort, wo es weh tut

Wie ist das, wenn man als 40-Jähriger in Berlin auf die Nase fällt und auf dem Land bei den Eltern wieder von vorne anfängt? Der großartige SWR-Film „Der Andi ist wieder da“ erzählt davon.
Berlin - Es gibt Sätze, die gefährlich flackern. „Jetzt hast Du es geschafft“ ist so einer, und als der Architekt Andreas Schäfer etwas in der Art bei einem Glas Feiersekt zu hören bekommt, weil er den ersten Preis bei einem Wettbewerb für ein Kunstmuseum gewonnen hat, ist auch schon bald fast nichts mehr so, wie das in einer sogenannten Bilderbuchkarriere sein sollte. Gebaut wird aus Kostengründen nämlich der Entwurf des zweiten Preisträgers, und der über Vierzigjährige wird weder sein Projekt realisieren, noch die Mietschulden für sein schickes Berliner Loft begleichen können. Deshalb zündet er zuerst sein tolles Modell an, und tut dann, was nicht ganz erwachsen gewordene Menschen manchmal tun, wenn ihnen das Wasser bis zum Kragen steht: Er haut einfach ab, und als er schließlich mit zwei Aluminumtrolleys vor seinem kleinen Elternhaus im Badischen steht, entfährt seinem geistig behinderten Bruder Ecki der ehrlich begeisterte Ruf „Der Andi ist wieder da“.

So heißt auch der Film, in dem nach dem Drehbuch von Wolfgang Stauch unter der sensiblen Regie von Friederike Jehn eine Geschichte übers Weggehen und nicht mehr heimfinden können erzählt wird, über Hauptstadt und Provinz, über Freiheit und entwurzelt sein. Vor dem genauen Blick der beiden Macher erfährt keine der beiden Seiten Schonung. Das Berlin, das Andreas verlässt, ist eine Kulisse aus geplatzten Träumen, aus Größenwahn und gescheiterten Beziehungen, er selbst ein bezaubernder, ewiger Junge, der auch vor Gemeinheiten nicht zurückschreckt, um weiter an seinen Illusionen festhalten zu können. Die Kamera von Jürgen Carle findet dafür beredte Bilder, immer wieder erzählen deutsche Popsongs, zum Beispiel „Was hat uns bloß so ruiniert“ von der Hamburger Band Die Sterne die eh schon ziemlich guten Dialoge musikalisch noch ein gutes Stück weiter.

Zurück zu Bowle und Nudelsalat

In Ellingen, wohin Andi zurückkehrt, haben die Vorstellungen mancher Bewohner vom Glück auch nicht so ganz hingehauen. Der mittlere Bruder Micha ist zwar inzwischen mit Andis Jugendliebe Kathi verheiratet, die beiden sind Eltern eines Zehnjährigen. Für das immer noch nicht ganz fertiggestellte Eigenheim musste er sich allerdings so hoch verschulden, dass er aus dem Arbeiten im schwächelnden familieneigenen Klempnerbetrieb nicht mehr herauskommt. Die Mutter kümmert sich rührend um alle, verzweifelt aber an der Feindseligkeit zwischen den sie umgebenden Männern. Und der Vater Peter, zu dessen siebzigsten Geburtstag der verlorene Sohn in das enge, spießige Wohnzimmer zu Bowle und Nudelsalat zurückfindet, kann immer noch nicht mit ihm reden, sondern betäubt das Unaussprechliche, das die ganze Familie zu beherrschen scheint, lieber mit Alkohol. Einzig der zu allen herzliche, aber allein nicht überlebensfähige Ecki scheint die kriselnde Sippe zusammenzuhalten. Sind die anderen an ihm schuldig geworden? Und wie können sie damit weiterleben, in Ellingen oder anderswo?

„Einen modernen Heimatfilm“ nennt der Autor Stauch sein TV-Movie, dessen melancholische Alltagstiefe zwischen all den bluttriefenden, oberflächlichen Verbrechergeschichten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens wohltuend heraussticht. Zuhause ist bei ihm, wie bei anderen modernen Heimatfilmern von Edgar Reitz bis zu Hans Steinbichler da, wo es weh tut. Anders als die beiden berühmten Kollegen aus dem Hunsrück und Bayern verortet er das Geschehen allerdings weniger in lokalen Gebräuchen oder im Sprachlichen – der einzige Schauspieler mit Dialektfärbung ist Tilo Prückner, der den Vater Peter darstellt, und der spricht nicht badisch sondern ein Augsburger Schwäbisch. Das mag daran liegen, dass Stauch selbst aus der ländlichen Pfalz kommt, und die Drehorte bei Rastatt und Baden-Baden nur ausgewählt wurden, weil der SWR bei dieser Produktion mit der Maran Film federführend war. Komischerweise stört das aber gar nicht, sondern vermittelt eine gewisse Allgemeingültigkeit. Wenn Andi, der in Berlin den coolen Ironiker gibt, sich vor seiner Verwandtschaft wieder in den ängstlichen, für die ländliche Umgebung nicht ausreichend maskulinen Kerl zurückverwandelt, der er in Kindheit und Jugend war, dann könnte das an jedem Ort in der deutschen Prärie stattfinden. Stauchs Heimat ist im Seelischen verortet, im Innern der von Nicholas Reinke bis Michael Kranz großartig gespielten, so unterschiedlichen Männer, die sich mit dem Abnabeln ebenso schwertun wie mit menschlichen Bindungen.

– Ulrike Frenkel, Stuttgarter Zeitung


Wo ist zu Hause, Hipster?

Und? Wie isses so in Berlin? Also in Berlin, sagt Andi mit Hipster-Bart und Slimfit-Hemd, da steht keiner vor zehn Uhr auf. Dann ziehen sich alle modisch an, gehen in ihre lichtdurchfluteten Büros und besprechen ihre Projekte - "eins kreativer als das andere". Man muss sich zu diesen Ausführungen den beißenden Sarkasmus eines bankrotten und gescheiterten Architekten dazudenken. Der Andi (Nicholas Reinke) ist mit Ende 30 nämlich nicht ganz freiwillig in sein badisches Provinznest zurückgekehrt - mit ein paar Koffern mehr, als man für einen kurzen Urlaubsaufenthalt brauchen würde, den er seiner Familie vorlügt. Während seine Berliner Wohnung zwangsgeräumt wird, richtet er sich provisorisch im alten Jugendzimmer ein, was daheim so manchem gegen den Strich geht. Immerhin einer freut sich, sein geistig behinderter Bruder. "Der Andi ist wieder da!", ruft Ecki (Emanuel Fellmer) in diesem bestechenden ARD-Mittwochsdrama. Doch mit ihm verbindet Andi schicksalsschwere Erinnerungen.

Ehe man aufgeklärt wird, welche das sind, nimmt sich der Film von Regisseurin Friederike Jehn und Autor Wolfgang Stauch viel Zeit für eine Milieustudie, die so scharf ist, dass man Papier damit schneiden könnte. Man versteht auf Anhieb, was Andi bewogen haben könnte, diesen Ort nach dem Abi geradezu fluchtartig in Richtung Berlin zu verlassen. Und man versteht die Nöte und den Stolz derer, die geblieben sind. Es ist eine feierliche Ödnis von halbfertigen Eigenheimen und den sprichwörtlichen "kleinen" Leuten mit großen Hypothekenbelastungen. Was könnte diesen Menschen mehr stinken als ein Hauptstadthipster mit Bärtchen, der sie einst verließ und jetzt mit seinem Akademikerdünkel auf sie hinabblickt? Kann ja keiner ahnen, dass Andi genauso pleite ist wie seine Familie daheim.

Der Vater (Tilo Prückner) schuftet noch mit 70 auf dem Bau - trotz massivem Alkoholproblem, unterstützt von Sohn Michael (Michael Kranz), der 14, 15 Stunden pro Tag ackert, um den Hauskredit abbezahlen zu können. Seine Frau Kathi (Dagmar Leesch) hockt meistens mit Sohn Lukas alleine im Eigenheim, im Urlaub waren sie schon ewig nicht mehr. Allzu leicht entflammen da alte Gefühle für ihren Ex-Freund Andi wieder, der das Flair der weiten Welt mitbringt. Kathi wollte Andi damals nicht nach Berlin folgen, weil sie lieber bodenständig eine Banklehre machte - und weil sie nie verstanden hat, warum ihr Freund so überstürzt das Weite suchte. Dass sie kurz später den Bruder heiratete, erscheint ihr rückblickend wie ein schwacher Trost. Wie das Leben doch manchmal so spielt.

Oberflächlich betrachtet gleicht dieser Dramenaufbau samt Rückkehrer, Vater-Sohn-Geheimnis und Alte-Liebe-Topos einer ganzen Legion an Rosamunde-Pilcher-Filmen. Doch der Blick auf die Menschen könnte unverklärter nicht sein. Vater Peter ist ein knorriger, harter Schweiger, Michael ein vom Frust getriebener junger Familienvater unter Druck, der durchaus Grund hat, den heimgekehrten Andi fortwährend ein Arschloch zu schimpfen. Der gibt sich alle Mühe, gehasst zu werden. Er klaut den Eltern das Schwarzgeld und küsst ungeniert die Frau seines Bruders. Seine Antwort auf alles ist ein ironischer Spruch.

Über alldem schwebt die universale Frage nach dem diffusen Gefühl von Heimat, einer emotionalen Zugehörigkeit, die einen jeden betrifft und doch so selten im Fernsehspiel ernsthaft und mit der gebotenen Ambivalenz verhandelt wird. In Deutschland werden die abgründigsten Krimis gedreht, die schaurigsten Mittelalterschinken, die aufrüttelndsten Brennpunktdramen, die dunkelsten Weltkriegsstücke und manchmal sogar ein Katastrophenfilm. Aber dass mal einer unerschrocken in die unendliche Schönheit und Traurigkeit einer völlig banalen Allerweltsexistenz blickt, darauf wartet man regelmäßig gefühlte Jubeljahre. Auch deshalb ist einem nach diesem großartigen Film nach heulen zumute.

– Jens Szameit, teleschau - der mediendienst


Genug geredet über die Verschwabung der Berliner Szeneviertel, jetzt ist der Rückfluss angesagt: Friederike Jehns Fernsehfilm über einen gescheiterten Berliner Architekten, der Zuflucht bei seiner schwäbischen Familie sucht, ist eine bittersüße Dramödie voller schlechter Nachrichten und guter Laune.

Es gibt zwei Szenen, die diesen Film sehr schön zusammenfassen: In der ersten lehnt eine Mutter und Hausfrau nachdenklich in einem Türrahmen und murmelt mit einer Lakonik, die nur junge Eltern kennen: „Naja, wenn nicht alles schlecht wär, wär eigentlich alles gut.“ In der zweiten erfährt ein Architekt, daß sein preisgekrönter Entwurf nicht gebaut wird, also steckt er kurzerhand das Pappmodell mit einem Feuerzeug in Brand und läuft dramatisch weg, worauf ihm eine Kollegin hinterherrufen darf: „Nun pinkel doch wenigstens noch dein Museum aus. Ich bin'n Mädchen, ich kann das nich.“

Man wünscht sich deutlich mehr solcher Dialoge im deutschen Fernsehen – originell, respektlos und energiegeladen, strotzend von jugendlicher Weisheit und reifem Blödsinn. Und auch wenn der Film nicht in jeder Szene solche Sprachkunststücke auf Lager hat, so ist man doch für jedes davon dankbar. Denn, und auch das merkt man bei den erwähnten Szenen vielleicht schon: Die Handlung und die Themen kennt man irgendwie schon. Tatsächlich ist die Geschichte vom vermeintlichen Überflieger aus der großen Stadt, der nach Hause kommt, sein berufliches Versagen verschweigt und stattdessen die Familientraumata aufarbeitet, wahrlich nicht neu. Aber Mittwoch abends in der ARD erwartet man auch nicht unbedingt die Neuerfindung des Rads. Statt dessen hofft man auf eine kompetente Erzählweise – und eben auf ein paar Dialogperlen. Beides liefert „Der Andi ist wieder da“ durchaus.

Regisseurin Friederike Jehn, die sich schon mit Kinofilmen wie „Weitertanzen“ und „Draußen ist Sommer“ empfohlen hat, ist Teil dieser Generation junger deutscher Filmemacherinnen, deren frische und lebendige Arbeit viel zu selten ihren Weg auf die von manchmal schwerfälligen Redaktionen bestückten deutschen Fernsehschirme findet. Auf den ersten Blick fällt vor allem ihr (erneut) souveräner Umgang mit deutscher Popmusik auf: Diesmal dürfen Kid Kopphausen, Die Sterne und Gisbert zu Knyphausen die passende Stimmung für einen Protagonisten liefern, der nicht nur am Ende seiner Dreißiger, sondern auch ganz generell am Ende ist. Aber auch Jehns Umgang mit Schauspielern ist bemerkenswert: Es scheint kein Zufall, daß nicht nur etablierte Kinogrößen wie Nicholas Reinke und Michael Kranz, sondern auch weniger bekannte Darsteller wie Dagmar Leesch oder die wunderbare Anne von Keller hier groß aufspielen.

Manchmal grämt man sich ein wenig über die anscheinend notwendigen Versatzstücke deutscher Familienfilme, die der Heimkehrer Andi in Ellingen vorfindet: Der junge Bruder ist leicht geistig behindert, was natürlich mit einem Tabu der Familie zusammenhängt; der ältere Bruder ist sauer, weil Andi seine heutige Schwägerin damals fast selbst mit nach Berlin genommen hätte und sein Interesse natürlich immer noch nicht erloschen scheint. Das Verhältnis zum Vater ist oberflächlich kalt und tief drunten natürlich von schweren Traumata geprägt. Und selbst der Opa, der inzwischen tot ist, hat eine mysteriöse Erbschaft hinterlassen, auf die natürlich alle spekulieren. So viele Wunden der Vergangenheit aufzuarbeiten, so wenig Zeit.

Aber Drehbuchautor Wolfgang Stauch und Regisseurin Jehn lassen sich einfach nicht unterkriegen von den bösen Geistern, die sie selbst beschworen haben. Und sie hüten sich dankbarerweise auch, durch eine glückliche Fügung alle Probleme verschwinden zu lassen. Statt dessen gelingt ihnen vom ungewohnt beschwingten Anfang bis zum unergründlich gutgelaunten Ende einer dieser seltenen Filme, die eigentlich nur aus schlechten Nachrichten bestehen und trotzdem sowohl die Figuren als auch den Zuschauer mit einem zutiefst zufriedenen Gefühl aus dem Film entlassen. Wenn nämlich nicht alles schlecht wäre, wäre eigentlich alles gut.

– D.J. Frederiksson, Frankfurter Rundschau


Im Grunde ist es eine ganz gewöhnliche Geschichte, aber gerade das macht dieses Familiendrama zu einem besonderen Film. Zunächst erzählt "Der Andi ist wieder da" von der Heimkehr eines Gescheiterten: Vor zwanzig Jahren hat Andi (Nicholas Reinke) die badische Provinz hinter sich gelassen, um in Berlin sein Glück zu suchen. Nun, mit fast vierzig, steht er vor den Überresten einer Karriere, die nie über den Status großer Hoffnungen hinausgekommen ist. Der Architekt hat zwar einen Wettbewerb gewonnen, doch sein Entwurf kann aus Kostengründen nicht realisiert werden; jetzt hat er keine Arbeit mehr, keine Wohnung und keine Perspektiven.
Das Elternhaus

Also besinnt er sich des einzigen Ortes auf der Welt, an dem man auch dann willkommen ist, wenn die großen Träume zerplatzt sind: im Elternhaus. Doch allein Mutter Hilde (Taja Seibt) freut sich, als Andi unangekündigt zum Geburtstag seines Vaters (Tilo Prückner) auftaucht. Zwar ist auch sein jüngerer Bruder (Emanuel Fellmer) ganz aus dem Häuschen, aber Ecki ist seit einem Badeunfall in der Kindheit geistig behindert. Michi (Michael Kranz), der dritte der Brüder, reagiert dagegen mit offener Ablehnung; er war stets neidisch auf den älteren, der sich aus dem Staub gemacht hat, während er im Handwerksbetrieb des Vater 15 Stunden am Tag schuften darf. Und dann ist da noch Kathi (Dagmar Leesch), die einst Andis Freundin war, aber nicht mit nach Berlin wollte, statt dessen Michi geheiratet hat und nach wie vor mehr für Andi empfindet, als ihrer Ehe gut tut.
Tilmann P. Gangloff
Der Diplom-Journalist Tilmann P. Gangloff setzt sich seit über 25 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander.
Nicht einen Moment lang tut Regisseurin Friederike Jehn ("Draußen ist Sommer") so, als sei dies alles in irgendeiner Weise spektakulär. Dass ihr Film trotzdem fesselt, liegt an den Entwürfen der Figuren (Buch: Wolfgang Stauch) und den vorzüglichen Darstellern. Gerade die drei Brüder werden von Reinke, Kranz und Fellmer ganz großartig verkörpert. Und selbstverständlich hat "Der Andi ist wieder da" letztlich doch noch mehr zu bieten, denn natürlich fragt man sich, was der Auslöser für die unverhohlene Feindseligkeit zwischen Vater und Sohn war. Immer wieder zieht es alle Beteiligten zu jenem Waldsee, an dem sich damals die Tragödie ereignet hat. Nach und nach lüften Buch und Regie das düstere Familiengeheimnis. Bis dahin vertreibt sich der Film die Zeit mit kleineren und größeren Ereignissen, die viel zur Komplexität der Figuren beitragen. Der väterliche Betrieb zum Beispiel steht vor der Pleite, weil ein Kunde seine Rechnung in Höhe von 30.000 Euro nicht bezahlt kann. Nun hoffen alle auf das Erbe des kürzlich verstorbenen Großvaters, aber der alte Herr hat offenbar ausgerechnet Andi als Alleinerben eingesetzt. Der vertreibt sich derweil die Zeit mit Kathi und klaut seinem Vater das gebunkerte Schwarzgeld. Wie es Buch und Regie gelingt, die festgefahrenen Verhältnisse doch noch zu einem guten Ende zu bringen und dann auch noch mit einem ironischen Schlussgag zu krönen, ist ebenfalls sehenswert.

– Tilmann P. Gangloff, TV-Tipp des Tages in evangelisch.de


ARD-Film über 40-jährigen Loser: Was hat den Andi bloß so ruiniert?

Ein Berliner Hipster in der badischen Provinz, das geht nicht gut. Der tragikomische Krisenfilm "Der Andi ist wieder da" erzählt von einem 40-Jährigen, der noch mal von vorn anfängt. Großes Loser-Kino mit flottem Soundtrack.

40, Mist. In der Hauptstadt die Karriere vermasselt, daheim in der Provinz ein Haufen Probleme. Der Andi ist wieder da. In dem badischen Kaff, wo er geboren ist, halten sie ihn für einen Stararchitekten. Dabei ist er schlicht und einfach deshalb zurückgekehrt, weil er abgebrannt ist. Also flaniert er im Röhrenanzug durch die Straßen der Heimat, tut so, als ob er hier nicht hingehört und durchstöbert die Schränke der Familie nach Kleingeld.

Ja, was denn nun? Großer Macker oder kleiner Schmarotzer? Nicholas Reinke, Hauptdarsteller des am 18. März in der ARD laufenden Mittlebenskrisendramas "Der Andi ist wieder da" und bislang im deutschen Fernsehen nicht besonders auffällig geworden, ist eine Sensation. Perfekt verkörpert er den 40-jährigen Checker, der noch in der größten Krise glaubt, er habe alle Optionen in der Hand. Seine Angst vor dem Leben versteckt er hinter einer Mauer aus Ironie.

In Berlin hat Andi mit großer Geste das Modell für einen Museumsbau in Brand gesteckt, nachdem ihm gesagt wurde, dass der Entwurf nicht umgesetzt werde. Zu Hause philosophiert er sarkastisch in seinen Hipster-Bart und macht sich an die Frau seines Bruders heran. Was für ein Arschloch. Oder doch nicht?

Voll Melancholie, aber mit flottem Puls

Am Anfang des Films erklingt "Was hat Dich bloß so ruiniert" von der Hamburger Band Die Sterne, ein Lied aus dem Jahr 1996, das man mit 20 doch eher fröhlich mitgegrölt hat, dessen Bitterkeit aber eigentlich erst vor dem Hintergrund einer handfesten Lebenskrise ihre volle Wirkung entfaltet. Eben weil sich die Frage nicht mehr so einfach beantworten lässt. Ja, was hat den Andi denn nun bloß so ruiniert?

Drehbuchautor Wolfgang Stauch, der exquisite, eigenwillige Fernsehkrimis wie den Müllsammler-"Polizeiruf" aus Rostock geschrieben hat, entflechtet mit leichter Hand das Drama einer Selbstverleugnung. Es geht um große Themen wie Schuld, Verrat, Bruderhass. Der Sound aber ist heiter bis wolkig; die für eine ARD-Primetime-Produktion ausgewählt gute Musik mag daran ihren Anteil haben. In der Mitte erklingt in fast voller Länge noch so ein Hamburger Lied: "Das Leichteste der Welt" von Kid Kopphausen, dem Bandprojekt von Gisbert zu Knyphausen und dem vor zwei Jahren verstorbenen Nils Koppruch. Wie das Lied so der Film: voller Melancholie und doch mit flottem Puls nach vorne strebend.

Autor Stauch und Regisseurin Friederike Jehn schauen dem 40-jährigen Helden dabei zu, wie er sich anmutig in seiner Tristesse suhlt, bringen ihn dann aber doch durch immer neue Handlungswendungen zum Schwitzen. Ihr Blick auf Andis Scheitern ist bedingungslos, sein mit ironischer Grandezza vorgetragenes Selbstmitleid lassen sie ihm nicht durchgehen. Wie doof ist das denn: erst alles verlieren, dann auch noch moralisch versagen.

So schließt "Der Andi ist wieder da" an ein älteres ARD-Highlight an: das Generationendrama "Mitte 30", mit dem Stefan Krohmer und Daniel Nocke 2008 das Scheitern der coolen jungen Selbstoptimierer thematisierten. Da ging es um einen Mittdreißiger, der alles richtig machen wollte, aber selbstgefällig seine Beziehung und seine Firma gegen die Wand fuhr. In dem neuen ARD-Film nun fährt ein Vierzigjähriger selbstgefällig Familie und Beruf gegen die Wand.

Vielleicht sollten wir uns einfach daran gewöhnen: Die Krise ist ein Dauerzustand.

– Christian Buß, Spiegel online


Mag man einem Protagonisten, der so viel berechtigten Zorn und Spott auf sich zieht, 90 Minuten lang folgen? Ja, wenn er so charmant und humorvoll spielt wie Nicholas Reinke. Dieser Andi ist ein charakterloser Kerl, den man mit Vergnügen unsympathisch findet. Übertroffen wird er nur noch von Tilo Prückner, dem trunksüchtigen, in mürrisches Brüten versunkenen Vater. (...) Seine Auftritte sind, sogar im stummen Brüten, eine Wucht. (...) Was bleibt, ist die Erinnerung an einen warmherzigen, mit Humor gewürzten Heimatfilm.“ (Auszug)

– Sybille Simon-Zülch, epd medien


Andreas Schäfer (Reinke) hat den ersten Platz eines Architekturwettbewerbs gewonnen. Aber statt seines Entwurfs wird ein billigerer umgesetzt. Gleichzeitig kann er die Miete für sein Berliner Apartment nicht mehr zahlen. Frustriert muss sich Andreas eingestehen: Der Karrierezug ist ohne ihn abgefahren. Völlig abgebrannt fährt er zurück aufs Land, zu seiner Familie, die er jahrelang gemieden hat.

Ob die Heimat als Zuflucht taugt? Sein wortkarger Vater (Tilo Prückner) zeigt ihm die kalte Schulter, sein Bruder Micha (Michael Kranz) begegnet ihm offen feindselig. Nur die Mutter und der behinderte Bruder freuen sich...

Ein leiser Film mit differenzierten Charakteren. Die Geschichte von Wolfgang Stauch ("Unter Verdacht") dreht sich um den Gegensatz von Stadt und Land, geplatzte Träume und Schuldgefühle. Man kann sich darin wiedererkennen, und man erlebt ein kleines Stück deutscher Wirklichkeit.

– TV Spielfilm


Die schlechte Nachricht zuerst: Um die üblichen deutschen Fernsehfilm-Klischees kommt auch „Der Andi ist wieder da“ nicht herum. Als der in Berlin gerade scheiternde Architekt Andreas Schäfer (Nicholas Reinke) in die badische Heimat flüchtet, erlebt er dort: Konflikte mit dem Bruder, der ihm vorwirft, damals einfach abgehauen zu sein und sich nicht um die Familie gekümmert zu haben, Konflikte mit dem wortkargen Vater und natürlich wieder aufflammende Gefühle für die Jugendliebe. Andis Verwicklungen sind so vorhersehbar, dass es ein bisschen wehtut.

Richtig lächerlich ist, wie Emanuel Fellmer die Rolle von Andis behindertem Bruder spielt – nämlich einfach wie ein völlig überagierender Landesbühnen-Darsteller. Dabei ist der Film doch nett gemacht. „Dein Vater, Schatz, säuft sich hier jeden Tag die Hucke zu“, sagt der andere Bruder einmal zu Andi. „Ich habe noch nicht mal angefangen, darüber nachzudenken, ob ich überhaupt anfangen sollte, darüber nachzudenken“, sagt Andi, als er ein Job-Angebot aus Berlin bekommt.
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Die Dialoge sind besser, die Musik (Kid Kopphausen, Scissor Sisters) viel besser, als man es aus deutschen Produktionen gewohnt ist. Und schließlich der große Tilo Prückner als versoffener Vater – wundervoll.

– Hendrik Steinkuhl, NOZ


Gelungene Familientherapie.

(Tipp des Tages)

– tv digital


Nach acht Minuten wird Andreas Schäfer (Nicholas Reinke) mit den Worten des Filmtitels begrüßt. Doch bald darauf fragen sich alle, was den vermeintlich erfolgreichen Berliner Architekten in seine kleine, badische Heimatgemeinde treibt. Der 70. Geburtstag von Vater und Klempner Peter Schäfer (Tilo Prückner) kann es kaum sein, das nach dem Tod des Opas anstehende Erbe vielleicht eher. Aber nein, Andi, „Der feine Onkel aus Berlin“, und seine Brüder Micha (Michael Kranz) und Ecki (Emanuel Fellmer) tragen seit Jahrzehnten ein Trauma mit sich, an dem der ewig Alkohol trinkende Vater Peter nicht unschuldig ist. Sieben Minuten vor Ende dieses sehenswerten Familien-Films mit angenehm neuen Gesichtern kommt es endlich zur Aussprache und das Erbe von Andis Opa passt aufs Dach seines schwarzen Saab.

– Wolfgang Wittenburg


Einfühlsam, mit humorvollen Momenten. (Top-Tipp)

– TV Movie


Vielsagender, kleiner Film mit glaubhaften Figuren.

- TV Today-Tagestipp -

– TV Today