Tatort ‘Happy Birthday, Sarah’ am Sonntag, 1. Dezember, um 20:15 Uhr in der ARD

Ronald, Ruby, Rambo & Bootz© SWR / Stefanie Schweikert

Der Tatort 'Happy Birthday, Sarah' von Wolfgang Stauch wird am Sonntag, den 1.12.2013, in der ARD uraufgeführt. Oliver Kienle hat den Krimi mit den Stuttgarter Kommissaren Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) inszeniert, seinen erst zweiten „Langfilm“ nach 'Bis aufs Blut'.

Inhalt und Zusammenfassung der ersten Kritiken

TV-Spielfilm fasst die Story knapp zusammen:  „Die 13-jährige Sarah Baumbach lebt in schwierigsten Verhältnissen. Geborgenheit sucht sie in einem Jugendclub. Als dort ein Sozialarbeiter ermordet wird, erzählt die renitente Sarah, sie habe zugeschlagen. „Glaubst du ihr?“ fragt Bootz und rollt mit Lannert, der sich als Singlevater zugleichum seine beiden Kinder kümmern muss, den Fall auf: Sarah war nicht die Einzige, die den Treffpunkt besuchte. Dessen Finanzier ist pleite. Und offenbar traf Sarah einen Unbekannten in einem anonymen Hotel. Warum? (...) Kienle (...)  gelingt mit seinem „Tatort“-Debüt ein dichtes Sozialdrama. (...) Tragisch und packend.“

„Ein unaufgeregter, und gerade deswegen sehr guter Tatort. Mord, ein paar Verdächtige, eine Verfolgungsjagd, Showdown, Happy End – so soll ein Unterhaltungs-Krimi sein. Zwischen all den Tatort-Superlativen der letzten Zeit zeigen die Stuttgarter, wie man auch ohne Hype einen sehr guten Film machen kann!“ Meint Tobias Weidekemper vom Tatort-Blog. „Alle Darsteller haben sichtlich Spaß an der Sache, auch das macht diesen Tatort so gut! (...) Die Geschichte von „Happy Birthday, Sarah“ klingt zunächst wie ein Tatort, den man x-Mal aus Ludwigshafen, Berlin oder Köln gesehen hat – inklusive Moralkeule. Doch Regisseur Oliver Kienle schafft es, kaum Langeweile aufkommen zu lassen oder allzu viele Entwicklungen vorausahnbar zu machen. Auch im Umfeld der Tatort-Hochkaräter spielt sich Stuttgart damit locker auf Champions-League-Niveau!“

In der Tat bemühen sich Buch und Inszenierung genau darum: Die Moral für sich zu behalten. Wenn der Mörder (oder die Mörderin?) am Ende über seine Mordmotive spicht und den Kommissaren vorwirft, sie würden ihm ja ohnehin nicht glauben, antwortet Lannert trocken: „Es ist egal, was wir glauben. Wir sind nicht die katholische Kirche, wir verteilen keine Schuld, wir vergeben keine. Wir verfolgen Straftaten.“ Bootz fügt hinzu: „Und das tun wir jetzt. Kommen Sie.“

„Ein grimmiger und überraschender Krimi, der den Stuttgart-„Tatort“ aus seiner Erstarrung reißt“, lobt Christian Buß bei Spiegel online, “ der gekonnt Hochkultur auf Hochhaussiedlung treffen lässt, (...) sich aber trotz aller plakativen Ausschmückung Zeit nimmt bei der Beobachtung seiner Charaktere und auch riskante Wendungen glaubhaft auserzählt. Drehbuchautor Wolfgang Stauch hatte schon Tiefe in den letzten Bodensee-„Tatort“ gebracht, der erst 31-jährige Regisseur Oliver Kienle (...)  wagt inszenatorisch den einen oder anderen interessanten Move im so lange erstarrten Stuttgarter „Tatort“.“ Und die Kollegen von Focus.de resümieren: „Happy Birthday Sarah“ ist ein stimmungsvoller, bewegender und stellenweise komischer Film über die Liebe und die Sehnsucht nach gesellschaftlichem Aufstieg.  (...) Die sonst schon mal etwas bieder und steif daherkommenden Schwaben überraschen im 13. Einsatz von Lannert und Bootz mit einer bis zum Schluss spannenden und stimmigen Mischung aus Krimi und Sozial-Drama mit hervorragenden Hauptdarstellern.“

Eine Geschichte in zwei Stuttgarter Welten: Das satte Stuttgart der Erbengeneration in Person von Frank Schöllhammer, dessen Vater mit dem Verkauf sehr vieler Keilriemen sehr reich wurde. Schöllhammer - ein Mann mit Geld ohne Aufgabe. Er leitet die gleichnamige Stiftung, die unter anderem ein Haus für Lower-Class-Jugendliche finanziert. Und in genau jenem Haus ist die zweite Welt ist zu Gast: Der Stuttgarter Hallschlag, Hartz IV, kein Geld, keine Aufgaben. Und ein schlagfertiges Mädchen namens Sarah.

Martin Geiger im Berliner Kurier: „Dabei machen die Stuttgarter Cops eine gewohnt gute Figur, werden aber (fast) von der minderjährigen Titelfigur an die Wand gespielt. Absolut sehenswert wie die Berliner Nachwuchs-Schauspielerin überzeugend zwischen Lolita und verpfuschtem Leben aufspielt. Deswegen auch der Tipp: Unbedingt einschalten.“ Dem schließt sich auch Marina Antonioni an und spricht - „Kurzer Prozess“ bei FOCUS Online - das „Urteil – Im Namen des Volkes: Einschalten lohnt sich: „Happy Birthday, Sarah“ ist ein sehenswerter „Tatort“ mit einer gelungenen Mischung aus Spannung, Humor und auch emotionalen Momenten.“

„Die rotzig-freche Hauptdarstellerin Ruby O. Fee“, heißt es in den Nürnberger Nachrichten, „zieht alle sofort in ihren Bann, und man möchte der 17-Jährigen, die im Film die 13 Jahre alte Unterschicht-Lolita Sarah Baumbach gibt, nur noch beim Spielen zuschauen. Dass das kriminelle Unterschichten-Gör ist, wie es ist, hat jedenfalls mit der Lebensperspektive zu tun, die in diesem Umfeld nur sehr wenig Hoffnung auf Änderung lässt. Und dem „Tatort“-versierten Drehbuchschreiber Stauch ist mit seinem Clash of the worlds, dem Aufeinandertreffen zweier Welten, eine hervorragend düstere Milieustudie gelungen. Der es trotzdem nicht an einer Prise Humor mangelt. So ist ein Rottweiler mit von der Partie, der auf das Kommando „Hallöle“ Sitz und Männchen macht, statt einen Verfolgten zu zerfleischen. „Tatort“ auf Schwäbisch eben. Des glaubsch net!“

Auch Oliver Dietrich bewertet den Film in den Potsdamer Neuesten Nachrichten positiv: „Ein kaltes Stuttgart, eine bemerkenswerte minderjährige Verdächtige, ein alleinerziehender Ermittler und ein mitreißender Soundtrack: Wir sehen am Sonntag den besten Stuttgarter Tatort aller Zeiten. (...) Aufeinander trifft, was nicht zueinander passen will: die potenziell kriminelle und desillusionierte Unterschicht aus dem sozialen Brennpunkt, die an einer chronischen Bullenallergie leidet, und das gute Gewissen der Gesellschaft, die Kümmerer – Sozialarbeiter und Ermittler im Gewand des Freund und Helfers. Der Schnittpunkt ist der vermeintliche Übergriff auf eine Minderjährige: „Was soll ich denn meiner Tochter sagen? Papa ist tot, aber das ist besser so?“, giftet Habers Ehefrau Lannert an. Aber was macht man mit denen, die man nicht erreicht? Sie lasse sich von niemandem erleuchten, sagt Sarahs Schwester Jeannette (Britta Hammelstein), sie wisse schon, wo es hinlaufe: „Fünf Euro die Stunde als Friseuse oder Krankenschwester.“ Das besorgt auch den überforderten Vater Bootz: „Du kommst noch in Teufels Küche“, warnt er. „Da koche ich jeden Tag Kaffee“, giftet Jeannette zurück. Der Tatort (Buch: Wolfgang Stauch, Regie: Oliver Kienle) geht tief, ohne belehrend zu werden, aber auch ohne Lösungen anbieten zu müssen. Und für diese Intensität sorgt die Protagonistin Sarah, der man die Verzweiflung an der Schwelle zum Erwachsenwerden einfach abnimmt: Ihre Glaubwürdigkeit ist faszinierend. Eine so durchdachte Story hat dem Stuttgarter Tatort einfach gefehlt. Sehr sehenswert!“

Sarah ist keine, die ihr Herz auf der Zunge trägt, aber sie will da raus, das spüren schließlich auch die Ermittler: aus der Welt der Sozialwohnungen, der Kampfhunde, der Welt, in der man, wie ihre Schwester, nur mit jemandem zusammen ist, weil der die Miete und den Fernseher zahlen kann. Sie klaut Bücher (Dostojewski, den sie zwei Mal lesen muss, um zu verstehen - und dann vielleicht immer noch nicht verstanden hat) und stöpselt sich die Ohren mit Musik zu, wenn sie sich von der Welt abschotten will. Aber sie hört nicht die altersgemäße Musik der Jugendlichen, sondern die Musik aus den jüngeren Jahren der Erwachsenen, zu denen sie Kontakt hat, greift auf die CDs des nicht ganz durchschaubaren Frank Schöllhammer zurück, der, laut eigener Aussage, „als ihre Leihbibliothek fungiert und ihr auch zunehmend seine Plattensammlung zur Verfügung stellt.“ Als was 'fungiert' Schöllhammer („herrlich selbstverliebt und schlitzohrig von Patrick von Blume gespielt“, focus.de) denn noch? Und: Die Welt der Erwachsenen - ist das denn die 'Rettung'? Oder eher ungut für ein 13jähriges Mädchen?

Etwas weniger Sozialdrama sieht Jens Szameit im Weser-Kurier: „Tempo und Tonart stimmen in diesem spannungsgeladenen Film, der nach einem Drehbuch des Krimiexperten Wolfgang Stauch entstand. (...) Die Suche nach dem wahren Täter führt die Kommissare über nächtliche Zubringerstraßen, auf Parkhausdecks, in Stundenhotels und schmuddelige Hinterhöfe. Nicht das bürgerliche schwäbische Milieu, aber eines mit hohen Schauwerten. So lebt dieser „Tatort“ auch weniger von der Sozialkritik (...) als vielmehr von stimmiger Atmosphäre und zart dosiertem Humor. Am schönsten: Die Schutzanzüge von der Tatortbesichtigung tragen die Kommissare wenig später beim Wändestreichen in Bootz' neuer Junggesellenbude. (...) Mit freundlichen Grüßen übrigens auch nach Erfurt, wo unlängst das leider nur an Lebensjahren jüngste „Tatort“-Kommissariat aller Zeiten aufgemacht hat. Wichtiger als junge Schauspieler vor der Kamera sind im Zweifel halt doch die unverbrauchten Köpfe dahinter.“

„(...) Tatort-Autor Wolfgang Stauch“, schreibt Lars-Christian Daniels bei filmstarts.de, „liefert knackige Dialoge und skizziert das Milieu der Stuttgarter Unterschicht authentisch und ungeschönt, während sich Regisseur Kienle jederzeit auf seine Besetzung verlassen kann. Für Stuttgarter Verhältnisse – das „Ländle“ ist nun mal nicht Münster – fällt der „Tatort“ zudem überraschend humorvoll aus: Lannert („Versuchen Sie’s mal mit der Wahrheit, dann kann man sich besser an die Details erinnern!“) übt sich in lässigen One-Linern, und der wild tätowierte Ex-Knacki Ronald („Na, zurück in der Hölle des Löwen?“) stiehlt in den emotionalen Streitgesprächen mit seinen eben nur fast korrekten Phrasen mehrere Szenen. “ Nichtsdestotrotz hätte  sich Daniels „etwas mehr Mut zum Unkonventionellen“ gewünscht.

„Eine kurzweilige, ambitionierte Mischung aus Sozialdrama und Krimiunterhaltung“, meint Volker Bergemeister bei tittelbach.tv. „Frisch, temporeich, musiklastig und gut ausbalanciert, (...) die Story des krimiversierten Autors Wolfgang Stauch („Unter Verdacht“) ist wendungsreich und trägt bis zum Finale. Und die 17jährige Hauptdarstellerin Ruby O. Fee ist eine echte Entdeckung.“ Was Jens Szameit ebenso sieht: „Vor allem die jugendliche Titelheldin hat es einem schnell angetan in diesem energischen Ritt durchs schwäbische Prekariat.  (...) Familie und die Sehnsucht von Kindern nach dem guten Leben ist das Thema dieses Krimis, der mehr ist als eine reine Mörderjagd am Neckar. Der neue Stuttgart-„Tatort: Happy Birthday, Sarah“ um einen ermordeten Sozialarbeiter, ein Stuttgarter Jugendhaus, den Traum einer Heranwachsenden von einem besseren Leben und das Zusammentreffen zweier Welten – der wohlsituierten Stuttgarter Halbhöhe, in der der Mäzen lebt, und dem sozialen Brennpunkt, in dem Sarah aufwächst – ist ein sehenswerter Milieu-Krimi, bietet gute Bilder, starke Tempowechsel, ist mal laut und schnell, mal ruhig und intensiv. Lokalen Bezug ins Schwabenländle gibt es nur an einer Stelle – ein netter Spaß, wie der Kampfhund eines der Verdächtigen auf den Befehl „Halöle“ reagiert. Und noch ein richtig schöner Satz des Autors Wolfgang Stauch soll hier schon mal verraten werden: „Handy-Ortung ist bei CSI sowas wie die Rolle vorwärts beim Kunstturnen“.“

Wer hat's gemacht?

'Sarah' ist eine Produktion von SWR (Brigitte Dithard und Manfred Hattendorf) und Maran Film (Sabine Tettenborn und Nils Reinhard), Kamera Jürgen Carle, Ausstattung Andreas C. Schmid,  Schnitt Barbara Brückner, Kostüm Barbara Fiona Schar.

Neben Müller, Klare und O. Fee spielen unter anderem Britta Hammelstein, wunderbar als Sarahs desillusionierte große Schwester ('In Teufels Küche? Da koche ich jeden Morgen Kaffee.'), Antonio Wannek als herrlicher Sozialbau-Prolet, der nicht nur an seinem männchenmachenden Kampfhund leidet, Patrick von Blume als gelangweilter Industriellen-Erbe Schöllhammer ('Der Hammer unter den Keilriemen') und Tobias Oertel in der Rolle des realistischen Klaus' Haus Chefs Sven Vogel: 'Ich habe gerade noch zwei Mitarbeiter, da bringe ich noch einen davon um, ja?'

Über die Darsteller schreibt TV-Movie: „Brillant gespielt.“

 

Dieser Blog-Eintrag berücksichtigt bis zum 29.11. bekannte Rezensionen. Die kompletten Kritiken finden Sie hier.

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